Herr Hoffmann, ein Jahr ist vergangen, und nun sitzen wir wieder zusammen und unterhalten uns über das, was hinter uns liegt. Aber noch mehr über das, was auf die GGEW und die Region zukommt. Was ist Ihr Eindruck vom abgelaufenen Geschäftsjahr?
CH: Das absolute Highlight war natürlich die Fusion mit der ENERGIERIED. Dass wir die von der Richtungsentscheidung im Aufsichtsrat am 22. September bis zum Beschluss unserer Aktionärskommunen am 31. März des Folgejahres in nur sechs Monaten umgesetzt haben, finde ich immer noch sensationell. Wir haben von Anfang an mit offenen Karten gespielt und auf Vertrauen und Transparenz gesetzt. Das hat sich ausgezahlt.
Ist durch diesen Vertrauensvorschuss nicht auch eine große Verpflichtung entstanden?
CH: Unbedingt! Und das in mehrfacher Hinsicht.Zum einen gegenüber den Kommunen als unseren Anteilseignern. Zum anderen natürlich noch viel unmittelbarer gegenüber den zusätzlichen 50.000 Menschen, die in der Region Lampertheim und Bürstadt zu unserem Versorgungsgebiet hinzugekommen sind. Gerade gegenüber ihnen müssen wir nun beweisen, dass wir der richtige Partner für sie sind. Darauf werden wir sehr viel Energie verwenden. In einem ersten Schritt bewerben wir uns nun um die Stromkonzession Lampertheim und Bürstadt. Wir dürfen uns auf diesem Meilenstein nicht ausruhen, sondern müssen weiter strategisch nach vorne denken.
Gut, sprechen wir über die Zukunft und über die Strategie der GGEW, sie positiv zu gestalten. Was liegt alles an?
CH (lacht): Oh, eine Menge! Wenn wir die Integration vollzogen haben, müssen wir parallel unsere Prozesseffizienz steigern und unsere Hausaufgaben abarbeiten, um im Wettbewerb zu bestehen. Denn der war 2023 brutal. Die Beschaffungszeiträume lagen für uns ungünstig. In den letzten vier bis fünf Jahren konnten wir sehr gute Preise anbieten, im Jahr 2024 schlagen sich die Krisen der letzten Jahre im Preis nieder. Aber: Noch in diesem Jahr wollen wir wieder voll im Wettbewerb durchstarten – mit konkurrenzfähigen Preisen. Nun wollen wir aus der Krise lernen: Das bedeutet, dass wir unser Beschaffungsverfahren weiter optimieren und resilienter für mögliche Marktverwerfungen in der Zukunft gestalten werden.
Kommen wir zu den anderen großen Themen: zur Wärmewende und der kommunalen Wärmeplanung. Beide sind vermutlich Bestandteile der Unternehmensstrategie für die kommenden Jahre?
CH: Richtig. Und zwar in enger Verzahnung mit unserer eigenen Dekarbonisierungsstrategie, die wir gerade zusammen mit einem externen Dienstleister entwickeln. Was uns vorschwebt, ist eine Art „Rundum-sorglos-Paket“, an dem die Kommunen partizipieren. Denn die haben ein großes Interesse daran, dass die kommunale Wärmeplanung, die sie laut Bundesbeschluss bis Mitte 2028 vorlegen müssen, auf realistischen Annahmen beruht und in der Praxis umsetzbar ist. Da werden die Daten, die wir im Rahmen der Modelle generieren, die unserer Dekarbonisierungsstrategie zugrunde liegen, einen wichtigen Beitrag leisten können. Am Ende des Tages werden wir eine Palette von Lösungen vorlegen können, die auf die Erfordernisse und Möglichkeiten unserer Region zugeschnitten sind.
Man darf wohl vermuten, dass das für die GGEW AG nicht zum Nulltarif zu stemmen ist?
CH: Da sagen Sie was! Ja, die Umsetzung der Dekarbonisierungsstrategie und von allem, was damit zusammenhängt, wird sehr kapitalintensiv. Auf ein Chart übertragen, müssen Sie sich die Form einer Badewanne vorstellen: hohe Investitionen am Anfang, hohe Abschreibungen, hohe Zinsen, geringe Erlöse. Dazu Marktverwerfungen, notwendige Investitionen in Erneuerbare, das Vorantreiben des Glasfaserausbaus. All das kostet Geld, richtig viel Geld. Aber all das ist auch eine Investition in die Zukunft der Region und in unsere eigene. Gleichwohl müssen wir sehr genau auf die finanzielle strategische Steuerung achten, um uns dabei nicht zu verheben. Denn die aktuelle Hochzinsphase und die gestiegenen Baukosten machen uns die Arbeit nicht gerade leichter. Zumal die damit einhergehende Verunsicherung der Haushalte dafür sorgt, dass jeder Euro zwei Mal umgedreht wird, bevor er ausgegeben wird. Da reichen dann plötzlich das 50-Mbit- Kupfernetz zum Surfen zu Hause aus, statt 200 Mbit oder mehr in einem neuen, stabilen Glasfasernetz. Wie gerade in Lampertheim geschehen.
Lassen Sie uns über die Perspektiven reden. Denn das ist es ja, was viele Leser interessieren wird. Nicht zuletzt auch die Entscheidungsträger in den Kommunen.
CH: Richtig. Dann beginne ich mal mit dem Nächstliegenden: Den Aktionärskommunen können wir auch weiterhin eine stabile Gewerbesteuer- und Dividenden- Perspektive bieten. Wir haben unsere Kosten im Griff und werden die Versorgungssicherheit hochhalten. Wir werden in den nächsten Jahren die positiven Effekte der Fusion mitnehmen und haben jeden Grund, selbstbewusst zu sein. Wir haben an Größe gewonnen und damit auch an Möglichkeiten. Das Unternehmen ist agil und gut aufgestellt. Entscheidungen, auch richtungsweisende, werden schnell und entschlossen getroffen. Unsere DNA ist die Infrastruktur. Da sind wir stark. Da liegt unsere Kernkompetenz. Darauf werden wir uns konzentrieren. Die Herausforderung wird also nicht sein, 20 neue Produkte zu generieren, sondern unser bestehendes Portfolio und alle Abläufe so zu verfeinern, dass wir unseren Kundinnen und Kunden dabei helfen können, die Energie- und Wärmewende zu vollziehen. Unser wichtigstes Ziel bleibt es, ein starker, auf die Region fokussierter Infrastrukturdienstleister mit einem bundesweiten Vertrieb zu sein.
Was sind vor dem Hintergrund dieser Ausrichtung die nächsten Maßnahmen?
CH: Wir wollen in der Region weitere Standorte für erneuerbare Energien finden und aktivieren. Mit dem Ziel, hier im eigenen Netzgebiet so viel Grünstrom zu erzeugen wie möglich. Denn wir sind nach wie vor überzeugt, dass die Energiewende nicht an der Nordsee vollzogen wird, sondern genau hier, wo der erzeugte Strom auch gebraucht und verbraucht wird. Nur das ist wirklich effizient. Zumal der Strombedarf mit Sicherheit weiter steigen wird. E-Mobilität, Wärmewende plus Wärmepumpen, all das summiert sich.
Das ist eine ganze Menge Verantwortung, die da auf Ihren Schultern lastet, Herr Hoffmann. Wie kommen Sie persönlich damit klar?
CH: Das ist wohl wahr. Zumal als Alleinvorstand. Aber ich bin ja nicht allein. Ich kann mich auf eine wirklich tolle Geschäftsleitung verlassen, die mich unterstützt. Vieles kann ich eigenverantwortlich laufen lassen. Ein solches Modell funktioniert nicht, wenn ich allen Bereichsleitern ständig über die Schulter schauen müsste. Alles ist gut eingespielt, wir vertrauen einander und wissen, was wir uns selbst und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zumuten können. Apropos Mitarbeitende: Wir sind jetzt fast 330 Menschen in diesem Unternehmen, die gemeinsam einen Umsatz von rund einer Viertelmilliarde Euro erwirtschaften. Der Zusammenhalt, das Miteinander, auch die Integration der neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit ENERGIERIED zu uns gestoßen sind, all das funktioniert bemerkenswert gut. Betriebsversammlungen, Weihnachtsfeiern, gemeinsame Schulungen, überall kann ich diesen Zusammenhalt spüren. Und das gibt mir ein tiefes Vertrauen, dass wir die Strategie, die ich hier umrissen habe, erfolgreich umsetzen werden. Ich denke, es macht einen großen Unterschied, ob man nur von Nachhaltigkeit spricht oder sie wirklich lebt. Gelebte Daseinsvorsorge, das ist es, worauf es ankommt. Und das tun wir!
Herr Hoffmann, wir bedanken uns für dieses Gespräch.