Bensheim. „Das Leben lieben. Die Zukunft schützen. Mit Erneuerbaren Energien und gigantisch schnellem Glasfaser-Internet“ – so titelt der am 25. Juli 2022 in der Bilanz-Pressekonferenz vorgestellte Jahresbericht 2021 des südhessischen Energiedienstleisters GGEW AG. Vorstand Carsten Hoffmann erklärt: „Der Krieg gegen die Ukraine hat uns allen nicht nur unsere Energie-Importabhängigkeit vor Augen geführt, sondern auch deutlich gemacht, wie eng Versorgungssicherheit und Klimaschutz miteinander verflochten sind. Daher werden wir den Weg, den wir seit Jahren beschreiten, nicht nur weitergehen, sondern nach Möglichkeit noch beschleunigen. Mit dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien und verstärkten Energieeffizienzmaßnahmen. Und mit dem Ziel, zum Klimaschutz-Agenten unserer Region zu werden. Was heißt das? Ganz einfach: Wir wollen diejenigen sein, welche die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger in unserer Region bei der Erreichung ihrer eigenen Klimaziele unterstützen. Gleichzeitig treiben wir den Ausbau unseres Glasfasernetzes für sehr schnelles Internet voran. Damit ebnen wir der Region den Weg in die digitale Zukunft. Übrigens leisten wir auch damit einen Beitrag zur Energieeffizienz: Glasfasernetze verbrauchen weniger Strom als andere Datenübertragungsarten.“
Bilanz 2021
Der Vorstand der GGEW AG zieht Bilanz für das vergangene Geschäftsjahr: „Wir werden die Ausschüttungserwartungen unserer kommunalen Eigentümer und Anteilseigner auch weiter voll erfüllen. Unser robustes Geschäftsmodell erweist sich als krisenfest und wir sind in den herausfordernden Zeiten erfolgreich. Das war für unsere Organisation ein Kraftakt und teilweise echtes Neuland für uns. Wir haben unsere Zukunftsthemen Erneuerbare Energien und Glasfaser vorangebracht. Im zweiten Halbjahr hat uns die Energiepreiskrise getroffen. Glücklicherweise verfügen wir über effiziente Beschaffungsstrukturen, die auf solche Situationen angemessen reagieren können. Wir wussten, dass Risikomanagement beim Energieeinkauf ein hohes Gut ist und wichtiger als unbedingt zum besten Zeitpunkt die billigsten Einkaufspreise zu erzielen. Da der Anteil des in Windparks erzeugten Stroms am gesamten Stromabsatz der GGEW in normalen Windjahren rechnerisch um die 50 Prozent beträgt, stehen wir besser da als andere. Fossile Stromerzeugung besitzen wir nicht. 100 Prozent unserer Erzeugung ist regenerativen Ursprungs. Das zahlt sich jetzt aus. Trotzdem stehen wir vor enormen Herausforderungen: Der Energiemarkt befindet sich durch die weltpolitische Lage in starken Turbulenzen. Ganz können auch wir als GGEW AG trotz langfristiger und seriöser Beschaffungsstrategie die Preisexplosion künftig leider nicht abfangen, die Energiepreise werden in Deutschland steigen.“
Wirtschaftlicher Verlauf 2021
Das Geschäftsjahr 2021 war – neben der Corona-Pandemie – besonders geprägt durch einen starken Anstieg der Großhandelspreise an den Spotmärkten für Gas und Strom. Dies hatte im Jahr 2021 für die GGEW AG aufgrund einer professionellen Beschaffungsstrategie nur geringe negative Auswirkungen. Im Geschäftsjahr 2021 verzeichnet die GGEW einen Umsatz in Höhe von 224,7 Mio. Euro (Vorjahr 221,7 Mio. Euro). Der Jahresüberschuss beträgt 2,6 Mio. Euro (Vorjahr 2,1 Mio. Euro). Die gesamte Stromabgabe an Letztverbraucher liegt bei 553 Mio. kWh (Vorjahr 601 Mio. kWh). Im Gegenzug sind durch die Windparks und Solaranlagen im Geschäftsjahr 2021 rund 215,6 Mio. kWh produziert worden. Das entspricht rund 40 % der gesamten Stromabgabe des Energieversorgers in diesem Jahr. Die gesamte Gasabgabe an Letztverbraucher liegt bei 1.397 Mio. kWh und ist witterungsbeding gegenüber dem Vorjahr gestiegen (Vorjahr 1.158 Mio. kWh). Die Wasserabgabe war 2021 witterungsbedingt mit 3,0 Mio. m³ leicht rückläufig (Vorjahr 3,2 Mio. m³). Aufgrund der Eindämmungsmaßnahmen zur Corona-Pandemie konnte das Basinus-Bad erst im Juni geöffnet werden, damit war die Schließzeit sogar einen Monat länger als noch 2020 und die Anzahl der Badegäste etwas niedriger als im Vorjahr.
Neue Produkte / Service
Der Vertrieb der GGEW AG wandelt sich immer mehr vom reinem Strom-, Gas- und Wasserdienstleister zum Anbieter von Energie-, Internet- und Mobilitätsprodukten. Hoffmann erklärt: „Das E-CarSharing entwickelt sich sehr positiv. Die PV-Pacht- und Heizungspacht-Angebote sowie der Verkauf und die Installation von Wallboxen werden ebenfalls gut angenommen. All das sind zugleich Maßnahmen für den Klimaschutz.“ Im Kunden-Service arbeitet die GGEW AG daran, ihre Aktivitäten zu reorganisieren. Unter dem Stichwort Zentrales Service-Center, entsteht derzeit eine gebündelte Anlaufstelle für alle Wünsche der Kundinnen und Kunden. Neben der persönlichen Beratung stärkt die GGEW auch den digitalen Kundenservice, indem sie eine digitale Vertriebsplattform mit ganz neuen Möglichkeiten entwickelt. Dazu kamen die Herausforderungen der Energiemarktkrise. Eine Auswirkung davon: Für Verbraucherinnen und Verbraucher in der Region, die von Energie-Discountern gekündigt wurden, musste die GGEW AG einspringen. Sie übernahm die Neukunden in die Grund- und Ersatzversorgung, nachdem deren Lieferanten aus dem Discountbereich im vierten Quartal bei extrem steigenden Handelspreisen die Versorgung einstellten.
Ausbau Erneuerbarer Energien
Das gesamte von der GGEW AG geführte Erzeugungsportfolio für regenerative Energien umfasst 45 Windenergieanlagen und 39 PV-Anlagen mit 120,9 MW Leistung. Die GGEW AG treibt den Ausbau der Solarenergie weiter voran. Im Januar 2021 erfolgte die Inbetriebnahme des Solarparks in Erbach-Lauerbach (Odenwaldkreis). Mit großen Schritten geht es bei einem neuen PV-Freiflächen-Projekt in Wald-Michelbach voran. Hier laufen die Planungs- und Genehmigungsprozesse. Die Realisierung des Projekts ist für Frühsommer 2023 vorgesehen. Weitere mögliche Projekte sind im Gespräch.
Glasfaserausbau
Die GGEW AG sorgt mit dem Ausbau ihres Glasfasernetzes für sehr schnelles und stabiles Internet in der Region Bergstraße/Odenwald. Carsten Hoffmann betont: „Wir forcieren unsere Glasfaseraktivitäten und werden in den nächsten 5 Jahren rund 30 Mio. Euro in den Glasfaserausbau investieren. Verbunden mit dem ehrgeizigen Ziel, bis Ende 2028 Glasfaser in unserem gesamten Netzgebiet ausgebaut zu haben, mit einem Marktanteil von über 30%.“ Wie ist der aktuelle Stand? In Bensheim sollen beispielsweise in der Weststadt ab Mitte / Ende des 4. Quartals dieses Jahres weitere Liegenschaften ans Glasfasernetz angeschlossen werden. In Zwingenberg wurde eine entsprechende Kooperationsvereinbarung mit der Stadt abgeschlossen. In Hähnlein, Sandwiese und Lautertal läuft der Ausbau. Darüber hinaus ergeben sich immer wieder Synergieeffekte. In Lorsch erneuert die GGEW AG zum Beispiel einen Teil des Stromleitungsnetzes. In dem Zuge legt die GGEW AG dann gleich Glasfaser in die Erde.
Netzbetrieb und Immobilienwirtschaft
„Die Versorgungssicherheit ist unser oberstes Ziel“, betont der GGEW-Vorstand. Daher laufen permanent Sanierungsmaßnahmen in den Netzen. Die Effizienz für die Instandhaltung im Netzbetrieb wurde beispielsweise auch durch Erweiterungen im Geoinformationssystem noch gesteigert. Ein klimaneutraler Netzbetrieb ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der GGEW Netz-Philosophie. So hat der Bereich Technik der GGEW AG ein „Whitepaper klimaneutraler Netzbetrieb“ erarbeitet. Darin wurde festgeschrieben, was alles zu tun ist, um langfristig klimaneutral arbeiten zu können. Angefangen von der Reduzierung von Verlustenergien über Gasvorwärmung mit Biogas und die Optimierung von Schaltanlagen bis hin zum Fuhrpark. Im Bereich Immobilienwirtschaft konnte im vergangenen Jahr ein Mehrfamilienhaus in der Bensheimer Rheinstraße eingeweiht werden. Realisiert wurde dieses Objekt durch die Wärmeversorgung Bergstraße GmbH (WVB), ein 100%iges Tochterunternehmen der GGEW AG. Carsten Hoffmann: „Das ist ein wichtiges Pilotprojekt für die GGEW AG und ein Leuchtturm für die Region, was Energieeffizienz und bezahlbaren Wohnraum angeht. Nun schauen wir uns ohne Zeitdruck nach weiteren Grundstücken um, die wir nach dem Vorbild unseres nahezu klimaneutralen Musterprojekts bebauen können.“
Ausblick und Fazit
Carsten Hoffmann: „Selten dürfte es so schwierig gewesen sein, eine Prognose für den Verlauf des restlichen Jahres abzugeben, wie 2022. Mit einiger Sicherheit lässt sich sagen, dass eine schnelle Rückkehr zu niedrigeren Gas- und Strompreisen nicht zu erwarten ist. Wir wissen, dass steigende Energiepreise zu finanziellen Belastungen bei unseren Kunden führen. In diesem Zusammenhang werden weitere Entlastungen bei den Steuern und Abgaben der Bundespolitik durch die Energieverbände vorgeschlagen und diskutiert. Unseren Kunden empfehlen wir, den Energieverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren und Abschläge zu erhöhen, um Nachzahlungen zur Jahresabrechnung zu vermeiden. Weiterhin dürfte unstrittig sein, dass der Ausbau Erneuerbarer Energien mit viel größerem Druck als bisher vorangetrieben werden wird, da diese seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine nicht mehr nur ökologischen Zielen dienen, sondern auch von höchstem sicherheitspolitischem und systemrelevantem Interesse sind.“ Alles Weitere hinge hauptsächlich von schwer voraussehbaren Entwicklungen in den folgenden drei Bereichen ab: 1. Weiterer Verlauf des Krieges in der Ukraine und dessen Einfluss auf die Energiemärkte. 2. Weiterer Verlauf der Corona-Pandemie. 3. Umgang Chinas mit der Pandemie. Das geplante Investitionsvolumen für 2022 in die Versorgungsanlagen der GGEW beträgt 22,6 Mio. Euro. Auf die gesamten Strom-, Gas- und Wassernetze entfallen rund 5,4 Mio. Euro zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit. Weiterhin ist beabsichtigt, rund 6,2 Mio. Euro in den Ausbau der Glasfasernetze zu investieren. Wesentliche Ziele bleiben Nachhaltigkeit und Klimaschutz. „Wir haben zwar noch keine eigenen Klimaschutzziele für die GGEW AG definiert, arbeiten aber mit Hochdruck daran. Ich hoffe, dass wir im Verlauf des Jahres 2022 ein konkretes Paket auf den Tisch legen können. Schlussendlich ist da der Weg zur Klimaneutralität das Ziel. Wann genau wir dieses Ziel einer klimaneutralen GGEW AG erreichen, ist derzeit noch schwer zu prognostizieren. Vielleicht 2030? Ich hoffe es“, so Hoffmann weiter. Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien geht es aber nicht nur um Klimaschutz und Unabhängigkeit, sondern auch um die künftige Reduzierung der Energiekosten. Niedrigere Gestehungskosten aus Wind und PV ermöglichen es, perspektivisch Endkunden und Industrie günstiger mit Energie versorgen zu können.