Das beste an der Fusion ist der Schub, den sie auslöst

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Man kann sicher ohne jede Übertreibung behaupten, dass 2023 für die GGEW ein Jahr war wie keins zuvor. War es doch geprägt von einem einzigartigen und zweifellols historischen Meilenstein in der langen Geschichte des Unternehmens: der Fusion mit der ENERGIERIED GmbH & Co. KG aus Lampertheim. Wir treffen Carsten Hoffmann, Vorstand GGEW AG, und Frank Kaus, bis zur Fusion Geschäftsführer von ENERGIERIED und nun in neuer Funktion in der Geschäftsleitung aktiv bei der neuen, größeren GGEW AG.

Herr Hoffmann, Herr Kaus, das herausragende Ereignis des vergangenen Jahres war ohne Zweifel die Fusion mit ENERGIERIED. Kurz gefragt: Wie ist es gelaufen?

Carsten Hoffmann: Das lief sehr gut. Von Anfang an. Ich weiß noch, wann ich die ersten Gespräche mit dem Bürgermeister geführt habe. Das war zwei Jahre vorher. Wir haben ein Jahr später, also im September 2022, die Richtungsentscheidung im Aufsichtsrat getroffen. Begleitet wurde das alles von vielen Informationsveranstaltungen, zu denen wir alle Kommunalpolitikerinnen und -politiker eingeladen haben.

Frank Kaus: Ja, das war ein echter Marathonlauf. Drei Sitzungen pro Kommune, jeweils mit Finanzausschuss, Gemeindevorstand, Magistrat und Parlament. Und das sieben Mal, also insgesamt 21 Sitzungen. Die letzte Entscheidung fiel dann am 31. März 2023 in Lampertheim.

Carsten Hoffmann: Es ging dennoch unglaublich schnell. Der ganze Prozess hat nur ein halbes Jahr gedauert. Das hat in unserer Branche noch niemand geschafft. Parallel dazu haben wir dann schon die internen Prozesse hochgefahren, um möglichst wenig Zeit mit der Umsetzung zu verlieren.

Und wie ging es dann weiter?

Carsten Hoffmann (lacht): Bereits im Juli fand der Notartermin statt. Und ich muss im Nachhinein sagen, dass wir da ein bisschen naiv waren, was das weitere Timing betraf. So schnell, wie wir dachten, ging es dann doch nicht mit der Eintragung. Unser Ziel, die gesellschaftsrechtliche Umsetzung im August abschließen zu können, haben wir krachend verfehlt. Es wurde dann doch Ende November.

Frank Kaus: Ja. Und natürlich haben sich dann auch noch kleine Fehler in den Prozess eingeschlichen. Es wurden Rechnungen auf dem falschen Briefpapier verschickt. Lastschrifteinzüge haben nicht funktioniert. Und das alles in einer Phase, wo unsere Preise recht hoch lagen. Das hat uns einige Kunden gekostet. Aber solche Fehler sind bei jeder Fusion systemimmanent. Deshalb haben wir auch ganz offen darüber gesprochen und das nach draußen kommuniziert.

Carsten Hoffmann: Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kann man jedenfalls keinen Vorwurf machen. Im Gegenteil. Alle haben wirklich alles gegeben. Da hat sich einfach die alte Wahrheit bestätigt: Shit happens. Wir können uns dafür nur bei den Menschen, die es betroffen hat – vor allem in Lampertheim –, entschuldigen. Trotz dieser Patzer sind wir froh, dass das Zusammenführen unserer beiden Unternehmen so gut und schnell funktioniert hat. Insgesamt ist die Migration, insbesondere auch die der Daten, erstaunlich reibungslos gelaufen. Da hatten wir eher mit Problemen gerechnet.

Dass bei einem derart komplexen Projekt auch Fehler passieren, liegt vermutlich in der Natur der Sache. Aber reden wir über die Zukunft: Was erhoffen Sie beide sich von dieser Fusion?

Frank Kaus: Der Zeitpunkt unserer Fusion war zwar ein bisschen getrieben von der Entwicklung in der gesamten Energiebranche. Aber er fand in einem Zeitfenster statt, das nahezu perfekt war. Wenn ich sehe, welche Veränderungen wir in der Energiewirtschaft vor der Brust haben, die Risiken im Energiegeschäft, die ganzen regulatorischen Themen, dann war das Timing wirklich ideal. Wir sind dank der Fusion zum richtigen Zeitpunkt richtig aufgestellt. Vor uns liegt die Transformation der kompletten Energiewirtschaft auf ein dekarbonisiertes Energiesystem. Dazu als wichtiger Bestandteil die Wärmeplanung der Kommunen. Darauf können wir uns nun konzentrieren.

Carsten Hoffmann: Ja, das denke ich auch. Wir haben die Gunst der Stunde genutzt. Und speziell in Lampertheim und in Bürstadt, wo es ein wenig geruckelt hat, werden wir mit großer Transparenz und zahlreichen Events daran arbeiten, dass die GGEW positiv wahrgenommen wird.

Frank Kaus: Stadtfeste, die beliebte Spargelwanderung, zahlreiche Sponsoringmaßnahmen – wir haben uns viel vorgenommen. Und dazu eine Downselling-Aktion, damit die Lampertheimer merken, dass sich auch bei den Preisen etwas tut. Was gar nicht so einfach ist, denn auch das Jahr 2024 bringt viele Herausforderungen mit sich. Trotzdem werden wir alles daransetzen, die Verwerfungen, die es dort gegeben hat, vergessen zu machen.

Ein gutes Stichwort. Lassen Sie uns noch einmal auf die geschäftliche Seite zurückkommen – wie sieht das Ergebnis für 2023 aus? Rein wirtschaftlich. Waren Sie zufrieden?

Carsten Hoffmann: Eigentlich schon. In Anbetracht der Fusion, die wir stemmen mussten, dessen, was in der Welt vor sich geht, und der teils dramatischen Verwerfungen auf dem Energiemarkt können wir wirklich zufrieden sein. Trotz dieser Herausforderungen stehen wir gut da und blicken positiv auf das zurückliegende Geschäftsjahr mit einem soliden Jahresabschluss. Somit können sich unsere Anteilseigner, die Kommunen, wie gewohnt darauf verlassen, dass wir unseren finanziellen Verpflichtungen ihnen gegenüber nachkommen. Wir halten an unserem Dividendenversprechen fest. Nicht nur, was das schwierige erste Fusionsjahr 2023 angeht, sondern auch danach. Zumal wir in den Folgejahren deutliche Synergien aus der Fusion erwarten. Davon werden auch unsere Anteilseigner profitieren.

Frank Kaus: Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass wir unseren Kunden, bestehenden und zukünftigen, in der zweiten Jahreshälfte für 2025 wieder sehr günstige Energiepreise werden anbieten können. Im Gegensatz zum Vorjahr, wo wir auf Nummer sicher gehen mussten, können wir nun von den niedrigen und vielleicht sogar noch weiter fallenden Marktpreisen profitieren und günstiger einkaufen als die Wettbewerber, die ihr Pulver bereits verschossen haben. Da hilft uns auch unsere neue Größe. Immerhin ist unser Heimatmarkt von 130.000 auf 180.000 Haushalte angewachsen.

Carsten Hoffmann: Zudem darf man auch nicht vergessen, dass alles, was wir erwirtschaften, die ganze Wertschöpfung, hier in der Region bleibt. Da fließt nichts in die Taschen irgendwelcher Konzerne in Hamburg, München oder sonst wo. Und obendrein wird die interkommunale Zusammenarbeit gefördert. Das hat neulich auch Christine Klein, Bürgermeisterin von Bensheim und Aufsichtsratsvorsitzende der GGEW AG, hervorgehoben. Und ja, ich gebe dir recht: Ab 2025 werden sicher auch die Synergien, die sich aus der Fusion ergeben, zu Buche schlagen.

Wird sich die neue Größe der GGEW auch auf den Ausbau der Glasfasernetze auswirken? Beispielsweise in Lampertheim und Bürstadt?

Carsten Hoffmann: Das hoffen wir natürlich. In beiden Kommunen ist die Glasfaserabdeckung noch nicht so, wie es zu wünschen wäre. Je nach Gebiet liegt sie zwischen 12 und 27 Prozent. Da geht sicher noch mehr. Auch wenn nach dem Rückgang der coronabedingten Homeoffice-Welle der unmittelbare Bedarf von vielen Nutzerinnen und Nutzern als nicht mehr so dringend empfunden wird. Viele sind seitdem wieder an ihre regulären Arbeitsplätze zurückgekehrt. Trotzdem ist es schon so, dass man auch im Privathaushalt eigentlich nie genug Bandbreite haben kann. Deshalb werden wir gerade in Lampertheim versuchen, dranzubleiben. Davon abgesehen haben wir aber natürlich noch ein paar wesentlich größere Baustellen.

Sie spielen auf die Wärmewende an?

Carsten Hoffmann: Ganz genau! Unsere Fusion ist eng verknüpft mit dem Thema kommunale Wärmewende. Denn dabei spielt unsere Nähe zu den Kommunen eine zentrale Rolle. Nicht nur, weil die Kommunen Anteilseigner sind, sondern weil sie von Berlin ihren Zeitplan vorgegeben bekommen haben, um eine eigene kommunale Wärmeplanung aufzusetzen.

Frank Kaus: Die GGEW AG vertritt nach der Fusion eine größere kommunale Familie als zuvor und unterstützt natürlich alle Beteiligten dabei, eine kommunale Wärmeplanung auszurollen, die energetisch effizient und ökonomisch sinnvoll ist. Die kommunale Wärmeplanung endet ja nicht an den Grenzen der Kommunen. Es handelt sich um ein ambitioniertes interkommunales Projekt, dem wir als hier verwurzeltes Energie- und Dienstleistungsunternehmen partnerschaftlich zuarbeiten wollen. Zum Nutzen der ganzen Region.

Vielleicht noch eine Frage zum Abschluss: Was hat Sie im vergangenen Jahr positiv überrascht?

Carsten Hoffmann: Da muss ich nicht lange nachdenken. Natürlich die Fusion. Wenn wir irgendwann einmal zurückblicken auf das Jahr 2023, werden wir sagen können: Das war der wichtigste Meilenstein in der langen Geschichte der GGEW AG. Vor allem, weil er für etwas steht, was heute, in diesen bewegten Zeiten, besonderes Gewicht hat: Vertrauen!

Frank Kaus: Ja, das kann ich nur unterstreichen. Das Vertrauen der Kommunen in uns ist auch für mich das eigentliche Highlight gewesen. Das ist die Basis für alles andere. Und damit geht natürlich auch eine große Verantwortung einher.

Carsten Hoffmann: In dem Zusammenhang wollen wir uns noch einmal ausdrücklich bei den Personen bedanken, die dieses große Projekt mit so viel Vertrauen mit vorangetrieben haben. Da ist einmal Frau Klein, die Bürgermeisterin von Bensheim, dann der Bürgermeister von Lampertheim, Herr Störmer, und auch Frau Schader in Bürstadt. Und all die anderen Politikerinnen und Politiker in unserer Region, die uns den Rücken gestärkt haben. Ohne deren Unterstützung und Vertrauen hätten wir das nicht stemmen können.

Frank Kaus (lacht): Vertrauen und Kommunikation. Das ist der Schlüssel, genau wie zwischen Carsten Hoffmann und mir!

Herr Hoffmann, Herr Kaus, das ist ein gutes Schlusswort. Vielen Dank für dieses Gespräch.